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Inspiration

The Perfect Match

Rückblick…

 

Die nächsten Wochen verbringe ich damit, Nina mit allen möglichen Fragen zu löchern, Pläne zu schmieden, zu recherchieren, und, was wohl der schwierigste Teil des Ganzen war: Mir zu überlegen, wie ich das alles meiner Familie, meinen Freunden und meinem Chef beibringen könnte. Letzteres führt schließlich zu unendlich vielen schlaflosen Nächten und Bauchschmerzen auf dem Weg zur Arbeit. Den Punkt, es meinen Liebsten zu beichten, hake ich kurz und schmerzlos ab, indem ich ihnen erzähle, dass ich nun endlich einen Gedankenblitz hatte und plötzlich weiß, was ich machen möchte: Ins Ausland gehen für eine gewisse Zeit. „Super, nimm doch Schweden“, sagt Papa. „Oder die Schweiz!“, kommt aus der Küchenecke von Mama. „Eigentlich dachte ich eher an Australien“, gebe ich kleinlaut zurück.
Auch Linda sage ich, dass  ich jetzt endlich weiß, wie mein Plan B aussieht und dass ich an nichts anderes mehr denken kann. Ich sage ihr, dass ich am liebsten sofort gehen möchte, dass ich aber weiß, dass sie Zeit zur Wohnungssuche braucht und wir das alles in Ruhe angehen werden. Irgendwie tut es mir richtig weh und leid, ihr das Ganze zu beichten und nun diese Schritte in die Wege zu leiten. Wir wussten, dass wir irgendwann in naher Zukunft auch einmal räumlich getrennte Wege voneinander gehen möchten, um uns als Einzelpersonen was das betrifft weiterentwickeln zu können und noch selbständiger werden zu können, jedoch macht sich, als es dann soweit ist, ein komisches Gefühl in mir breit. Irgendwie ist das alles in der Vorstellung einfacher, als es dann tatsächlich umzusetzen und ich weiß, dass es uns zunächst eine Menge Zeit und Nerven kosten wird, die wir eigentlich nicht haben.

Anfangs denke ich, glaubten die meisten, dass es wieder eine meine Spinnereien sind. Ich habe schon sooft unbedacht irgendwelche verrückten Mutmaßungen darüber geäußert, was ich alles machen könnte oder wollen würde. So wollte ich einmal Animateurin werden, irgendwo in der Sonne; ich wollte lernen, Wimpernextensions zu kleben und mich mit einer guten Freundin selbständig machen; ich wollte eine Art Cateringservice für Feiern anbieten und ein Weight Watchers Restaurant eröffnen; um nur einige Beispiele zu nennen. Und ich konnte ziemlich leidenschaftlich in diesen Träumen versinken und sie groß und breit jedem erzählen, der sich nicht dafür interessierte. Vermutlich hätte ich an all diesen Dingen Freude gefunden, jedoch war keine meiner Ideen diese eine, die mich nicht mehr schlafen ließ.

Nach einigen Recherchen entscheide ich mich dann, ohne eine Organisation für Au Pairs, sondern auf eigene Faust, die Dinge in die Hand zu nehmen. Laut Nina gibt es eine sehr gute Internetseite, die die einer Datingseite ähnelt, auf welcher Gastfamilien, sowie Au Pairs Profile erstellen können und sich dann anhand der angegebenen Merkmale, Bilder und Biografien „matchen“ können.
In mühsamer Arbeit mithilfe eines Lexikons und den Überresten meines Englisch Leistungskurses von vor gefühlten 30 Jahren, als ich mein Abi machte, erstelle ich in einer Rufdienst Nacht, die ich zu Hause verbringen darf, bis morgens um 5 Uhr den Text für meine Biografie. Eigentlich müsste doch eine 24 jährige Kinderkrankenschwester, mit Berufserfahrung auf einer Neo-Intensiv, geskillt in Notfallverhalten, mit 7 Jahren unfallfreiem Autofahren und ohne Sucht nach Zigaretten oder Alkohol (letzteres ein bisschen verharmlost), das Interesse der Gastfamilien wecken, oder? Dennoch habe ich Zweifel, die perfekte Familie zu finden. Aber wer oder was ist auch schon perfekt?
Okay, was würde meine Traumfamilie ausmachen? Nicht mehr als zwei Kinder, am liebsten so jung wie möglich sollen die Kids sein. Sydney wäre schön, oder Brissie wie Nina immer sagt, Melbourne oder Perth, schließlich sollen die Strände dort wunderschön sein. Und am Meer wäre es auch schön. Dann könnte ich jeden Tag die Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge sehen! Hm… und was, wenn es gewittert? Die Gewitter damals in Südfrankreich direkt am Meer waren so schlimm, dass wir nach kurzer Zeit wieder heim gefahren sind, weil ich so ein Angsthase bin. Dann vielleicht doch lieber in die Stadt. Ach… eigentlich ist doch die Hauptsache, dass mir die Familie auf Anhieb sympathisch ist und ich mich am Ende einfach sehr wohl fühle! Also versuche ich einfach, mich auf mein Bauchgefühl zu verlassen. Klingt nach einer guten Idee!

Die nächsten Tage verbringe ich damit, die Seite zu durchstöbern. „Was machst du da die ganze Zeit an deinem Handy?“, fragt meine Mum mich an einem Abend. „Ich suche nach passenden Gastfamilien!“, erkläre ich und schweife weit aus was die Funktionen der Seite angeht und wie man sich das Ganze vorstellen kann. „Jetzt mach mal halblang, du hast ja nicht einmal gekündigt.“ „Mama, es ist mir ernst und ich kann mich ja schon einmal umsehen!“, ist meine Antwort und dann sieht sie mich leicht erschrocken an. Ja, es ist mir wirklich ernst! Diesmal ist es keine Spinnerei.

Die erste Familie, mit der ich dann tatsächlich ernsthaft in Kontakt trete, besteht aus einer Polizistin, verheiratet mit einem Bankkaufmann und zwei süßen Kids: Einem Jungen, 3 Jahre alt und einem Mädchen, nicht einmal 1 Jahr alt. Sie leben in einem Suburb von Sydney, frisch umgezogen in ein Haus mit Blick aufs Meer. Klingt erst einmal perfekt. Und sie sind sehr nett! Wir haben mindestens jeden zweiten Tag Kontakt und ich sage ihnen, dass ich noch kündigen muss und wir danach richtig anfangen können zu planen. Ich erzähle ihnen dann auch, dass mein Visum genehmigt wurde und wie ich sonst allgemein mit der Planung voran komme. Sie reagieren immer sofort ganz aufgeregt und wir tauschen unsere Nummer aus und wollen auch einmal skypen. Trotzdem habe ich ein komisches Gefühl, aber kann es nicht genau erklären. Wahrscheinlich habe ich einfach noch etwas Bammel vor dem Gespräch mit meinem Chef, das mir noch bevor steht.
Nein, das ist es nicht, wie es sich herausstellt, denn plötzlich bekomme ich keine Antwort mehr. 1 Woche, 2 Wochen, 3 Wochen und dann ist schon ein Monat vergangen. Linda ist schon in der heißen Phase der Wohnungssuche und ich habe mittlerweile die Kündigungen für die Wohnung und die Arbeit fertig gemacht. Meine Whatsapp Nachricht kommt nicht einmal an bei der Familie und es scheint aber die richtige Nummer zu sein. Nur ein Haken. Hm… was nun?

Schließlich entscheide ich mich dazu, mir eine neue Familie zu suchen. Schließlich soll es daran ja letztendlich nicht scheitern und nach über einem Monat ungewissen Wartens wurde es langsam Zeit, mich weiter umzusehen. Wer nicht will, der hat schon.
Ich bleibe bei der Stadt Sydney, denn mittlerweile habe ich mich einfach in sie verliebt und wäre wohl ein wenig enttäuscht, würde ich nicht dort leben. Oh, die sehen total nett aus! Hübsch und die Kinder sind ja zuckersüß. Es ist wie Liebe auf den ersten Blick. Castle Hill, ein Suburb im Nothern Territory von Sydney. Ein großes Haus mit Pool im Garten. Ein Mädchen, wird im Frühjahr 5 Jahre alt und ein Junge, der im Dezember 2 Jahre alt wird. Keine Tiere. Mir würde ein Auto zur Verfügung stehen, mit dem ich auch zur Schule fahren müsste, um die kleine dorthin zu bringen. Bezahlung überdurchschnittlich, allerdings auch eine hohe Stundenzahl pro Woche, jedoch ab freitags 10am frei bis Sonntag Abend. Keine Hangover wenn ich am nächsten Tag die Kids habe. Ich wäre das erste Au Pair. So hat auch keiner von beiden Seiten irgendwelche falschen Erwartungen und man kann sich gemeinsam an dieses Leben gewöhnen. Soweit, so gut. Schreiben wir sie also einmal an.
Mein Bauchgefühl bestätigt sich, eine wirklich ausgesprochen sympathische und nette Familie! Wir schreiben fast jeden Tag, vor allem am Anfang. Es fühlt sich sofort so an, als würden wir uns schon lange kennen und als käme ich nach langer Zeit endlich noch einmal zu Besuch. Wir tauschen Facebook Accounts aus und dann hagelt es Bilder und Videos von den Kids. Das Thema Telefonieren kommt irgendwie nie wirklich zur Sprache, was aber für beide Seiten auch gut so zu sein scheint. Die Kinder sind ja sooo süß und die kleine Harper fragt fast täglich, wann ich endlich komme. Irgendwie scheinen wir alle auf einer Wellenlänge zu sein.

Ich berichte dann auch meiner Familie und meinen Freunden ganz aufgeregt und strahlend von der tollen Familie und alle interessieren sich sehr. „Kannst du nicht einfach nach Spanien gehen?“, versuchen meine Eltern es noch einmal. „Mama, es tut mir Leid, aber nach Spanien kann ich jederzeit in den Urlaub fahren. Wenn schon, denn schon!“

Bleibt nur noch das Thema Job kündigen, aber darum kümmere ich mich später.
Im Facebook Messenger ploppt ein Bild auf: „Das haben wir für dein Zimmer gekauft, wir hoffen es gefällt dir!“
Ich sollte mich wirklich schnellstmöglich um das Gespräch mit meinem Chef kümmern, denn diese Familie ist es – mein Perfect Match!

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