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Au Pairing Travel

schon wieder ein Jahr mehr

Nachdem der erste Blue Mountains Ausflug wortwörtlich ins Wasser gefallen ist und ich dementsprechend etwas enttäuscht nach Hause fuhr, beschloss ich noch am selben Tag, dass die Blue Mountains eine zweite Chance verdient hatten! Diesmal musste es lediglich besser geplant werden.

Bevor dies jedoch in Angriff genommen werden kann, stehen erst einmal einige Termine an. Geburtstage beispielsweise, wie mein eigener. Ich werde dann genau einen Monat von zu Hause fort sein. Wie es mir wohl an dem Tag gehen wird? Zugegeben, das ist wohl der Tag, vor dem ich am meisten Angst hatte. Ich werde 25 Jahre alt, irgendwie eine bedeutende Zahl, aber dann doch auch wiederum nur eine Zahl. Ob nun 25 oder 26, was macht das für einen Unterschied? Ich weiß nur, dass ich eigentlich gar nicht feiern möchte. Es macht mir nämlich eine riesige Angst, schon wieder ein Jahr älter zu werden! Schon wieder ein Jahr, die Zeit fliegt einfach so an mir vorüber! Genau dieses Gefühl hatte doch letztes Jahr so eine große Panik in mir ausgelöst… wo waren denn nur die letzten 5 Jahre hin? Und was habe ich eigentlich in dieser Zeit gemacht außer gearbeitet? Wie habe ich meine freien Tage verbracht? Waren nicht unheimlich viele Tage darunter, an denen ich einfach nur faul auf der Couch gehangen habe, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen? An denen ich sogar Essen bestellt habe, weil ich nicht kochen wollte? An denen ich nur Serie nach Serie geschaut habe? War das nicht vollkommene Zeitverschwendung? Und dann, so mir nichts, dir nichts, waren 5 Jahre vergangen. Und ich habe wirklich keinen blassen Schimmer, was ich in der Zeit alles gemacht habe. Es kommt mir wirklich so vor, als hätte jeder Tag ausgesehen wie der davor und der davor und der davor. Sieht so das Erwachsenen Leben aus? Oder hatte ich einfach nur nie das beste daraus gemacht?

„Du bist nur einmal jung und das muss gefeiert werden“, schreibt mir eine der Au Pairs aus der Facebook Gruppe eines Tages. Sie ist 19 und nur für 5 Monate in Australien und ich habe schon auf ihrem Instagram Account verfolgen können, dass sie jedes Wochenende Party macht, manchmal sogar an Wochentagen. Sie muss ihre Jungs nur morgens pünktlich zur Schule bringen und da sie schon Teenager sind, machen sie sich sogar ihr Frühstück selbst. Würde ich in dieser Situation deshalb in der Woche feiern? Irgendwie habe ich da keine Lust drauf, nicht einmal am Wochenende. „Du musst deine Zeit hier doch aber genießen!“, versucht sie es weiter. Mache ich ja, aber ich genieße diese Partys nicht wirklich!  „Vielleicht hast du Recht und ich sollte dem ganzen eine neue Chance geben!“, gebe ich schließlich nach. Ich beschließe allerdings, mit dem Auto zu ihrem Haus zu fahren und mit ihr zusammen in die Stadt zu fahren. Es ist immer sicherer zu zweit die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, vor allem nachts und so habe ich zumindest eine Ausrede nicht trinken zu müssen. Denn auch das ist nicht so wirklich mein Ding, mich auf Partys sinnlos zu betrinken. Viel eher würde ich mit meinen Mädels in einer Bar gemütlich sitzen, quatschen und dabei eventuell zu tief ins Weinglas gucken. Aber vielleicht sieht das ganze hier in Sydney ja anders aus.
Als ich vor dem Haus ihrer Gasteltern stehe, staune ich nicht schlecht. Vor 5 Minuten noch hatte ich eine unglaublich schöne Aussicht auf Sydney und den Hafen und jetzt, vielleicht 500 Meter weiter eine Seitenstraße hinunter stehe ich vor einem Haus, das mitten im Busch zu sein scheint. Es fühlt sich auch direkt 5 Grad wärmer an, da ich hier mitten im Grün stehe, ungefähr wie in einem Tropenwald. Dementsprechend laut ist es auch. Oder eher ruhig, es ist ruhig! Alles was man hört sind die vielen verschiedenen Vögel, wie sie zwitschern oder sonst etwas für Laute von sich geben. Wow! 
30 Minuten später parke ich mein kleines rotes Auto in einer Seitenstraße in der Nähe des Bahnhofs und meine neu gewonnene Au Pair Freundin und ich schlendern zum Bahnsteig. „Wie heißt die Haltestelle noch einmal?“, frage ich zum 100. Mal heute. „Wollstonecraft, wie oft möchtest du das noch fragen?“, ist ihre Antwort. Verdammt, wenn du nicht aufpasst, hält sie dich bald für eine Verrückte. Aber wie soll man sich diese ganzen Namen und Begriffe auch merken, vor allem, wenn man die Sprache nicht fließend beherrscht… 
Ich lache nur verlegen und zucke mit den Schultern.
In der Stadt spazieren wir etwas am Darling Habour umher und gehen schließlich auf einen Drink und ein paar Snacks ins Hard Rock Café, bevor wir schließlich zu der Party gehen, zu der meine Begleitung unbedingt gehen wollte.
3 Stunden später machen wir uns dann auf den Heimweg, nachdem sie total betrunken einen anderen total betrunkenen aus einer Gruppe von Kerlen geküsst hat und sie für Bilder posierten, als wären sie schon seit 2 Jahren in einer Beziehung. Als ich dann bemerkte, dass das einzige weibliche Gruppenmitglied einem anderen aus der Gruppe, der versuchte mich anzutanzen und abzulecken wie sein Freund es mit meiner Freundin tat, ein Zeichen in Form von einem dezenten Kopfschütteln und einer leichten Handbewegung gab, weil ich mich nun so gar nicht zu diesem hingezogen fühlte, war mir die Lust auf diese Veranstaltung vergangen. Ohnehin war es eine von diesen Partys, auf denen sich alle schnellstmöglich voll laufen lassen, um dann hemmungslos mit ihren Hinterteilen wackeln  zu können oder um die nächstbeste plump anmachen und danach ablecken und angrapschen zu dürfen. Und genau deswegen gehst du nicht gerne feiern, schon gar nicht mit Fremden! Was hast du dir auch nur dabei gedacht? Innerlich schüttele ich den Kopf.
„Du hättest trinken sollen, dann hättest du mehr Spaß gehabt!“, bekomme ich zu hören. „Ich brauche keinen Alkohol um Spaß zu haben und einer von uns sollte klar im Kopf bleiben, in einer Großstadt, in der wir uns nicht auskennen!“, gebe ich ihr mit einem mütterlichen Unterton zurück. „Oder weißt du etwa, wo wir lang müssen und wann die letzte Bahn fährt?“ Verdutzt über meine zickige Art schüttelt sie nur mit dem Kopf und gibt kleinlaut zurück, dass ihr Handy aus ist, da das Akku leer gegangen ist. Hättest du nicht alle 10 Sekunden Snapchat Viedos gemacht, hättest du noch Akku, ich denke mir meinen Teil. Natürlich verpassen wir die letzte Bahn haarscharf und so beschließe ich, genervt von meinem betrunkenen Anhängsel, dem plötzlich aufgefallen ist, dass es gar keinen Schlüssel mitgenommen hat, ein Uber zu bestellen. Notiz an mich selbst: Fahre nie wieder zusammen mit jemandem, den du noch gar nicht kennst. Immerhin kann ich gewährleisten, dass sie sicher nach Hause kommt und nicht mit diesen zwielichtigen Kerlen nach Hause geht. Sie leiht sich mein Handy, um ihre Eltern in Kanada erreichen zu können und um so die Telefonnummern ihrer Gasteltern herauszufinden. Was für ein Drama! Letztendlich kommen wir bei ihnen an und sie kommt, wie auch immer, hinein. Ich atme tief durch. Gott sei Dank! Als ich dann endlich zu Hause angekommen bin und im Bett liege, beschließe ich, so etwas nicht mehr zu machen. Mist, nächste Woche ist mein Geburtstag und er fällt auf einen Samstag! Ich muss es irgendwie schaffen, etwas ruhiges zu organisieren. Am liebsten würde ich gar nichts machen, aber meine Gastfamilie fragt mich schon ständig, ob ich etwas geplant habe.
„Wir könnten gemeinsam zu Abend essen und Kuchen organisieren!“, sagt Michelle dann an einem Tag in der kommenden Woche. „Meine Eltern würden auch gerne kommen, wenn du darauf Lust hättest. Wir könnten einen ganz normalen Familientag für dich daraus machen. Wie würdest du das finden?“ Genau, was ich brauche! „Ohja, das hört sich wirklich toll an! Mir ist eher nach so etwas ruhigem! Am liebsten würde ich ja den Tag einfach ignorieren!“, antworte ich mit einem Lachen. „Unsinn, du versteckst dich nicht in deinem Zimmer! Dein Geburtstag muss gefeiert werden, auch wenn es etwas schwer sein wird und du sicher Heimweh haben wirst!“, sagt sie daraufhin. Mal sehen.
„Mädels, was haltet ihr von Open Air Kino am Freitag Abend?“, mein Facebook Messenger ploppt auf. Laura, meine Au Pair Freundin aus England fragt das in die Au Pair Gruppe, die wir erstellt haben. Eigentlich eine tolle Idee, so könnte ich gemütlich den Abend vor meinem Geburtstag mit meinen Freundinnen hier verbringen. „Ja, ich wär‘ auf jeden Fall dabei!“, antworte ich in die Gruppe.

10:30 Uhr. Wie schnell ging diese Woche nun wieder vorbei? Einmal nicht aufgepasst und es ist Freitag. Die Großeltern sind gekommen, um auf Noah aufzupassen und um Harper von der Schule abzuholen. Ich esse schnell etwas und springe danach unter die Dusche. Am Nachmittag treffe ich mich nämlich schon mit Summer, einer anderen Au Pair aus Kanada. Wir treffen uns am Circular Quay und wollen von dort gemeinsam über die Harbour Bridge laufen bis nach North Sydney, wo das Outdoor Kino stattfinden wird. Wir werden uns Mary Poppins Rückkehr ansehen und ich freue mich schon auf mein Popcorn. Und in ein Open Air Kino wollte ich auch schon immer einmal gehen. Wieder ein Punkt, den ich also abhaken kann!
Aber was soll ich nur anziehen? Der Herbst steht vor der Tür und deshalb wird es abends nun schon früher dunkel und teilweise auch etwas frisch. Tagsüber ist es aber immernoch total warm. Gut, dass es überall Klimaanlagen gibt. Ich entscheide mich für Jeans, Top und Jeansjacke. Damit kann man ja eigentlich  nichts falsch machen.
Pünktlich um 3 Uhr am Nachmittag stehe ich dann am Circular Quey und bin wieder einmal überwältigt von der Aussicht auf den Hafen und auf die gigantische Harbour Bridge. Summer kommt in Sportleggins und Crop Top, ein typisches Outfit hier in Sydney zum Shoppen, Spazieren, Lunch und für Kinobesuche. Dieses Outfit geht hier immer und überall. Praktisch und gemütlich. Jetzt wünsche ich mir, eine ähnliche Wahl getroffen zu haben für mein Outfit. Aber nein, ich habe noch geplant am Abend nach dem Kino in eine Bar zu gehen mit einer deutschen Backpackerin und meiner trinkfreudigen Au Pair Freundin. Jeder hat schließlich eine 2. Chance verdient. Ich hoffe nur, dass der heutige Abend anders endet.
Wir brauchen 1 1/2 Stunden, bis wir in North Sydney ankommen. Wir sind gemütlich über die Brücke geschlendert und haben noch ein paar Fotos dort geschossen. Die Aussicht war wie immer atemberaubend!!

Wir sind etwas zu früh dran, wir wollten uns erst später mit den anderen Mädels treffen. Auf dem Weg zum Kino finden wir ein kleines Fest mit Street Food und Live Musik. Herrlich! Hier verbringen wir die restliche Zeit bis der Film anfängt.

Pünktlich stehen wir in der Schlange, um auf das Gelände zu gelangen. Ich freue mich wie ein kleines Kind an Weihnachten und auf dem Gelände angelangt gönne ich mir erst einmal einen Becher Wein und Popcorn, ist ja schließlich mein Geburtstagswochenende. Eine von uns war so schlau und hat eine Decke mitgebracht, da wir keine Sitzkissen gebucht haben. Auf der Decke ist es um einiges angenehmer als auf dem Rasen. Noch 15 Minuten laut Uhr bis zum Start des Films, die Sonne geht auch schon langsam unter. Als ich dann mein Popcorn probiere, erschrecke ich mich total. Moment mal, irgendetwas stimmt daran nicht. Es ist salzig. Warum, um Himmels Willen?  „Na klar ist das salzig, wie esst ihr denn euer Popcorn?“, fragt Summer. „Süß natürlich“, antworte ich ihr immernoch ungläubig. Na toll. Und dann muss ich lachen.

Den Film genießen wir total, zumindest bis zur Hälfte. Danach wird es unglaublich kalt. Der gesamte Boden kühlt so stark ab, dass wir Schwierigkeiten haben, ruhig sitzen zu bleiben. Selbst mit der Jacke friere ich total. Es fällt uns schwer, bis zum Ende durchzuhalten, auch wenn der Film nicht schlecht ist. Wir sind heilfroh, als wir dann endlich gehen können. Die anderen sind allerdings alle zu müde und durchgefroren und wollen lieber nach Hause, was ich mehr als gut verstehen kann. „Macht euch keine Gedanken,  ich treffe noch 2 andere Mädels, mit denen ich in meinen Geburtstag hinein feiern kann. Fahrt ihr mal nach Hause und wärmt euch auf.“, sage ich zu ihnen zum Abschied. Sie entschuldigen sich so um die 100 Mal und Laura gibt mir eine Postkarte von Sydney mit Geburtstagswünschen auf der Rückseite und einer Dollar Münze. „Happy Birthday Girl“, sagt sie und umarmt mich. „Oh was für eine süße Idee, danke!!“, sage ich und unterdrücke eine Träne. Dabei haben wir uns doch erst 2 Mal getroffen. Wie lieb von ihr…, denke ich mir. Und die Idee mit der Postkarte finde ich wirklich süß. Vielleicht sollte ich damit auch anfangen und solche Karten an meine Freunde und meine Familie in der Heimat schicken. Immernoch einfallsreicher als die Standart Postkarten.

23:00 Uhr. Ich komme im The Rocks Viertel an und treffe zum ersten Mal auf Saskia, eine Backpackerin aus Deutschland. Auch meine kanadische Freundin ist schon da. „Und wo gehen wir feiern?“, fragt sie. „Nirgendwo, ich sagte doch, ich möchte nur in eine Bar gehen!“, antworte ich. „Okay. Macht ihr euch eigentlich in Deutschland nie zurecht wenn ihr abends raus geht?“ Wie bitte? Was soll das denn heißen? „Ich war im Outdoor Kino und bedeutet es für dich, man muss sich jedes Mal High Heels anziehen, wenn man ausgeht?“, frage ich sie. Sie zuckt nur mit den Achseln und Saskia sieht erschrocken aus. Wir entscheiden uns für einen Pub mit Live Musik, denn hier scheint gute Laune zu herrschen. Die Gäste singen mit und winken uns einladend zu.
23:40 Uhr. Okay rein da. Wir bestellen uns Drinks und setzen uns an die Bar, wo Miss High Heels sofort anfängt mit betrunkenen Männern zu sprechen. Ich muss lachen. Ist das ihr ernst? Sie ist eigentlich ein wirklich liebenswerter und humorvoller Mensch, aber beim Thema Abendplanung sind wir grundverschieden. Saskia und ich drehen uns zu der Band und singen mit. Einige Songs später tuschelt auch sie mit den Männern, die übrigens so um die 40 sein müssen. Ich schüttel lachend den Kopf und schaue wieder zur Band. Glücksgefühle durchströmen mich. Alle hier sind so gut gelaunt und singen fröhlich mit.
24:00 Uhr. Saskia fällt mir um den Hals und ruft „Happy Birthday“ in mein Ohr. Und dann fangen die beiden Mädels und die beiden Männer an Happy Birthday zu singen und der ganze Pub steigt ein. Oh Gott! Ich merke wie ich rot werde und mir Tränen in die Augen schießen. Das hat sie also mit den Männern getuschelt. Ich habe Gänsehaut am ganzen Körper, denn auch die Band ist mit in den Song eingestiegen und alle sehen in meine Richtung, prosten mir zu und singen freudestrahlend. Als wäre ich der Star in diesem Raum. Eigentlich ist so etwas überhaupt nicht mein Ding, aber ich bin total gerührt auf der anderen Seite. Als der Song dann endlich vorüber ist (inklusive hipp hipp hurray) spielt die Band ihre üblichen Songs weiter als wäre nie etwas gewesen und alle anderen im Pub steigen auch dort wieder mit ein. Ein Glück! 
01:00 Uhr. Die Band hat mittlerweile angefangen zusammenzupacken, nachdem sie die 3. Zugabe gespielt hat und wir werden freundlich gebeten, den Pub zu verlassen. Und nun? Ich brauche 1 1/2 bis nach Hause und daher entscheide ich mich einfach, den nächsten Bus zu nehmen. Saskia begleitet mich bis zur Haltestelle, da für mich hier immernoch alles gleich aussieht und ich sehr gut darin bin, mich zu verlaufen. Meine trinkfeste „Freundin“ wollte unbedingt noch bleiben und so beschließen wir, dass sie alt genug ist, um auf sich selbst aufzupassen. Wahrscheinlich hätten wir sie eh nicht überzeugen können mit uns zu gehen.
Endlich im Bus sitzend merke ich, wie erschöpft ich eigentlich bin. Das war ein langer Tag und ich freue mich auf mein Bett. Ich sehe auf mein Handy. 2 neue Nachrichten. Von meinen Eltern und von meiner Schwester. Dabei ist es in Deutschland gerade einmal 15:30 Uhr. Gut, dann hast du wohl heute 34 Stunden Geburtstag, ist doch auch einmal etwas!  Ich freue mich jedenfalls tierisch über die Nachrichten und dass sie anscheinend extra auf die Uhrzeiten geachtet haben, um mir nach meiner Zeit zu gratulieren.
Es ist 03:15 Uhr, als ich endlich in meinem Bett liege und das letzte Mal auf die Uhr sehe.

8:00 Uhr am Morgen. Ich höre die Kinder laut schreien und rumlaufen. Dann Michelle, wie sie versucht sie zu beruhigen und ihnen zu verdeutlichen, dass sie leise sein sollen, weil ich ja noch schlafe. Ich kann kaum meine Augen öffnen, so müde bin ich. Ich drehe mich um und versuche die Kinderstimmen auszublenden. Als wäre das möglich… Eine halbe Stunde später gebe ich dann schließlich auf. Mein Hals tut mir weh und irgendwie fühle ich mich allgemein ein wenig krank. Ich entscheide mich also für ein bequemes Outfit. Wahrscheinlich ist der Rest der Familie sowieso auch in Jogginghose. Mein Blick fällt danach auf mein Handy. Keine neuen Nachrichten. In Deutschland schlafen jetzt alle und meine Au Pair Freundinnen werden wahrscheinlich auch noch schlafen. Ist ja schließlich Samstag.
Ich öffne die Tür und gehe hinaus. Ein Kopf schaut aus dem Zimmer gegenüber von meinem mit großen Augen und einem breiten Grinsen. Harper hat anscheinend nur auf das Geräusch gewartet. Sie kommt auf mich zugerannt und umarmt mich. „Happy Birthday Anna! Du bist die beste Anna auf der ganzen weiten Welt!“, sagt sie. Ach herrje. „Schnell, komm mit in die Küche. Wir machen gerade eine Überraschung für dich!“, ruft sie aufgeregt und zieht mich hinter sich her. Cupcakes, ich weiß, denke ich und muss grinsen. Natürlich tue ich so, als wüsste ich von nichts: „Echt? Was denn? Da bin ich aber gespannt!“
In der Küche angekommen kommt dann auch der Rest der Familie zu mir und umarmt mich. Michelle erzählt mir, dass ihre Eltern am späten Nachmittag kommen und wir ein sehr frühes Abendessen und natürlich Kuchen haben werden. Sie müssten aber gleich auch noch einmal kurz los ins Shopping Center. Kein Problem, ein bisschen Ruhe kann ich gut gebrauchen. „Schau hier, Anna. Die haben Mommy und ich für dich gemacht. Ich hab extra die schönsten Streusel herausgesucht!!“, sagt Harper, immernoch total aufgeregt.

„Oh Harper, die sind ja total schön geworden! Und so pink, eine tolle Farbauswahl! Dankeschön!!!“, sage ich ihr und hebe sie hoch. Strahlende Kinderaugen beobachten meine Reaktion.
20 Minuten später sitze ich dann alleine mit meinem Frühstück auf dem Sofa. Ruhe. Ich schließe für einige Minuten meine Augen. Wie fühlst du dich? – eigentlich nicht anders als gestern und vorgestern auch. Ist ja auch nur ein Tag wie jeder andere, ich führe eine Konversation mit mir selbst und schalte den Fernseher ein. Eine gute Stunde habe ich bestimmt für mich und wie könnte man sie besser nutzen, als mit ein bisschen Trash Tv auf Netflix?

2 Stunden später kommt die Familie dann wieder nach Hause. Noah sieht müde aus und Harper scheint immernoch total aufgedreht zu sein. „Wir kochen dein Lieblingsessen heute!“, sagt sie. „Tatsächlich? Hilfst du Mommy dabei?“, antworte ich. „Ja klar!!“, sagt sie. Michelle und ich sehen uns an und fangen an zu lachen. Na das werden wir ja dann mal sehen. Ben stellt eine große Schachtel auf die Kücheninsel, bestimmt der Kuchen.

14:00 Uhr. Michelle’s Eltern kommen und begrüßen mich mit einem breiten Grinsen, einem Blümchen und einer Karte. „Happy Birthday Darling“, sagen sie und umarmen mich fest. Wein haben sie auch mitgebracht. Bei Wein, Käse und Crackern sitzen wir den Tag über gemeinsam draußen, quatschen, lachen und spielen mit den Kindern. Wie meine Familie es auch tun würde. Trotzdem ist es nicht das gleiche. Aber mir geht es gut. Ich hätte irgendwie angenommen, etwas bedrückt zu sein heute, aber das bin ich nicht. Mittlerweile trudeln auch immer mehr Nachrichten meiner Freunde ein und mit meinen Eltern habe ich auch schon telefoniert.
Nach dem Abendessen sitzen wir alle noch am Tisch und plötzlich fangen die anderen an „Happy Birthday“ zu singen, während Michelle mit einem kleinen Kuchen in Regenbogenfarben und einer großen Regenbogenkerze in der Mitte aus der Küche kommt. Hm, wer den wohl ausgesucht hat?

Harper klettert aufgeregt auf meinen Schoß. „Ich helf dir die Kerze auszupusten, okay?“, fragt sie, obwohl es eigentlich weniger wie eine Frage klingt. Ich lächel sie an und applaudiere anerkennend als sie mit dem Singen fertig sind. Dann pusten Harper und ich die Kerze aus. Erst jetzt bemerke ich, dass Michelle auch eine kleine Papier Tasche in der Hand hält und einen Briefumschlag. Oh Gott, ein Geschenk? „Mach auf, mach auf!“, ruft Harper ungeduldig. Ich bin so gerührt, dass mir nun doch etwas seltsam zu Mute wird und sage, dass das doch nicht nötig gewesen wäre. Zuerst öffne ich die Karte und muss lächeln, obwohl mir gleichzeitig nun doch zum Weinen zu Mute ist. Natürlich weil ich so gerührt bin und weil ich niemals damit gerechnet hätte! Die Worte berühren mich sehr. Nach so kurzer Zeit scheine ich wirklich schon ein fester Bestandteil der Familie zu sein und spätestens jetzt fühle ich mich auch tatsächlich so.

Dann ziehe ich die Schachtel aus der Tasche, Thomas Sabo, und schaue Michelle mit wässrigen Augen an. Wow!
Harper wibbelt ungeduldig auf meinem Schoß. Heraus ziehe ich eine Kette mit einem türkis farbenen, herzförmigen Anhänger, auf dem die Weltkarte abgebildet ist.

„Damit du dich an uns erinnerst!“, sagt Harper. „Egal wo du auf der Welt bist!“, ergänzt Michelle. Und dann überkommen mich meine Emotionen und ich umarme alle, während mir Tränen die Wange herunter laufen. Ben grinst mich nur an und Oma Von sagt, was für eine tolle Idee das ist. Ich weiß nicht, wie oft ich an diesem Abend noch danke sage, bevor wir alle in unseren Betten liegen und ich noch mit meiner Schwester telefoniere und danach erschöpft  von diesem emotionalen Tag und unendlich dankbar für all die tollen Menschen in meinem Leben, einschlafe.

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2 COMMENTS

  • Desi

    Hi Anna,
    ich bin zurzeit auch Au Pair in Sydney und lese deine Blogbeiträge echt gerne. Schön geschrieben, das auch mir die Tränen in den Augen standen 🙂

    • anna
      AUTHOR

      Hallo meine Liebe,
      erst einmal vielen lieben Dank für dein Feedback! Darüber freue ich mich sehr! Wo genau lebst du denn? Wenn du Instagram hast, meld dich doch gerne einmal! Ich würde mich freuen, mehr von dir zu erfahren und vielleicht können wir ja sogar auch einmal einen Kaffee trinken gehen, wenn wir beide in Sydney sind! 🙂
      Ganz liebe Grüße!!

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