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Inspiration

Plan B

weiter geht’s mit dem Rückblick…

 

Auch der Monat April flog an mir vorbei in einem Tempo, dass mir Angst machte! Geht das jetzt immer so weiter?

Wahrscheinlich mache ich plötzlich die Augen auf nach einem kurzen Nickerchen und zack – ich bin 40, immer noch auf dieser Station, immer noch in dieser Stadt und immer noch ohne eigene Familie. Ich spüre Panik in mir hochkochen und fühle mich beklommen. Es ist als wäre ich gefangen, gefangen in einem durchaus schönen und erfüllenden Beruf, gefangen mit guten Freunden in einer schnelllebigen Zeit und Gesellschaft und vor allem gefangen mit meinem Gefühlschaos.

Bis vor kurzem datete ich noch einen Kerl, den ich schon seit einigen Jahren kannte. Er war groß, gut gebaut und er hatte Humor und gute Manieren. Zumindest dachte ich das. Schon vor Jahren bat er mich, mit ihm auszugehen, doch es war die falsche Zeit. Mich einem Menschen zu öffnen fiel mir schon lange nicht mehr leicht und bei Männern wollte ich lieber auf Nummer sicher gehen. Hin und wieder sind wir uns über die Jahre hinweg an verschiedenen Orten begegnet, haben uns flüchtig gesehen, aber nie wirklich miteinander gesprochen.
Eines Morgens wachte ich dann schließlich auf und hatte eine Nachricht bei Facebook von ihm: „Es mag jetzt vielleicht seltsam klingen, aber du gehst mir seit Jahren nicht aus dem Kopf, wir MÜSSEN jetzt endlich miteinander ausgehen!“

Wieso eigentlich nicht? Was hab ich zu verlieren? Wollte ich ewig so weiter machen und mich verkriechen? Nein! Also beschloss ich, mich darauf einzulassen und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Das ging eine ganze Zeit so, doch in mir waren große Zweifel, die immer weiter wuchsen…

An Valentinstag, ein paar Tage nach unserem 2. Date kamen Linda und ich vom Spätdienst nach Hause. Wir unterhielten uns über die Arbeit. Das ist zu einem kleinen Ritual geworden. Nach der Arbeit ein paar Minuten über das Erlebte sprechen und sobald wir zu Hause ankommen ist Schluss damit. Nicht immer halten wir uns an diese Regel, je nachdem, wie schlimm unser Dienst war. Meistens klappt es jedoch.

Wir kamen die Treppe hoch und schon aus den Augenwinkeln sah ich einen kleinen Schatten. Dort lag ein großer Strauß Blumen, eine Packung Pralinen und ein kleines Post-It. „Alles Liebe zum Valentinstag. Dein E.“

„Das ist unheimlich!“, war mein erster Gedanke und den hatte ich wohl impulsiv wie ich bin, laut ausgesprochen. Meistens ist meine Zunge schneller als mein Hirn. Verdammt! „ANNA, aber das ist GENAU DAS, was du dir schon IMMER gewünscht hast!!“ Wahrscheinlich hat Linda Recht und so lasse ich die Dinge weiter ihren Lauf nehmen, obwohl mein Bauchgefühl mir etwas anderes sagt. Das weiß ich mittlerweile gut zu ignorieren und die meiste Zeit fühle ich mich glücklich und unbeschwert.

Irgendwann kam es dann soweit, dass ich all meine Zweifel vergessen hatte, unsere Dates schon zum Alltag wurden und das Unbeschwerte verschwunden war. Wieso muss das eigentlich manchmal so schnell gehen? Dennoch war ich glücklich. Oder redete ich mir das nur ein?

Hin und wieder gab es Dienste auf der Arbeit, nach denen es mir richtig schlecht ging. Entweder weil wir mal wieder unterbesetzt waren und ich am Ende des Tages nicht mehr wusste wo oben und unten war, oder weil es zu einem Todesfall kam. Letzteres ließ mich selten los. Nicht auf dem Weg nach Hause, nicht zu Hause selbst und erst Recht nicht in meinen Träumen! „Du bist oft so bedrückt und traurig wegen deiner Arbeit, damit kann ich einfach nicht umgehen. Ich kenne dieses Gefühl nicht! Ich bin immer gut drauf!“, sagte er eines Abends zu mir. Danach fuhr er. Und nochmal ein paar Tage später hörte ich dann gar nichts mehr von ihm. Ich bekam weder einen Abschied, noch eine Begründung und das Schlimmste daran war: Ich konnte es verstehen und hatte schon vor Wochen damit gerechnet. Dementsprechend schockte es mich kaum und so ging das Leben weiter, als hätte es ein uns nie gegeben. Wann bitte bin ich so kalt geworden? Genau so wollte ich doch nie werden! Wann ist das passiert und warum? Zugegeben, wenn man sich jeden Tag diese Schicksalsschläge auf der Station ansieht, kommen einem die eigenen alltäglichen Probleme so unglaublich klein vor! Und mal ehrlich, ein Mann der nicht verstehen kann, dass mir der Tod oder die Trauer und Verzweiflung von Angehörigen nahe geht? Nein danke! Ich konnte mich also glücklich schätzen.

Dennoch fühlte ich mich von da an was die Arbeit betraf immer schlechter. Und das wurde bis heute nicht besser. Ich gehe zur Arbeit mit einigermaßen guter Laune, sehe in die traurigen Augen der Eltern und anderen Angehörigen, sehe die ganzen Schicksale der kleinen, noch so unschuldigen Wesen und merke, wie ich von Tag zu Tag unglücklicher werde. Ich fühle mich machtlos, weil ich gern mehr tun würde, mehr helfen würde und verzweifelt, weil ich niemandem gerecht werde. Wütend, weil die Obersten dieses Systems nicht sehen oder nicht sehen wollen, wie schlimm der Zustand geworden ist und traurig, weil man dabei zusehen kann, wie viele meiner Kollegen langsam daran zugrunde gehen. Man kann ihnen beim Altern täglich zusehen und wenn ich so in den Spiegel schaue, sehe ich es auch bei mir selbst. Der ständige Schichtwechsel, der zu wenige Schlaf, weil einen die Schicksale nicht los lassen oder weil man einfach noch so unter Strom von der vorherigen Schicht steht, hat seine Spuren hinterlassen. Ich fühle mich ausgelaugt und leer. So kann das nicht weiter gehen! Ich brauche einen Plan B!

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