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Au Pairing

Alltag, Kapitel 2 – zwischen Auto, Schule, Küsschen und Zebrastreifen

… warum passiert das jeden Morgen? Naja, wir haben unser Bestes gegeben. 7:50 Uhr, könnte später sein. Ich packe mir Harper’s Schultasche auf den Rücken und gehe Richtung Tür. „Schnell, kids. Wir müssen los!“
Die Kinder rennen in den Flur und ich öffne die große Eingangstür. Noah versucht die zweite Fliegengitter-Tür zu öffnen. Er schafft es mittlerweile, die Türklinke herunter zu drücken, aber er kann glücklicherweise noch nicht gleichzeitig die Tür öffnen. Lange wird es nicht mehr dauern bis er das auch kann. Ich öffne auch diese Tür für ihn, er fällt halb heraus, stolpert auf die Veranda und beide Kinder rennen zum Auto. Ich frage mich, wieso sie eigentlich immer aus allem ein Rennen machen. Ob das so ein Ding ist, dass Kinder in dem Alter einfach machen? So wie überschwänglich aufgeregt zu sein über alles und jeden, selbst wenn es nur der Postbote ist, der wieder einmal ein neues Paket voller Kleidung für Mum bringt oder wenn wir zu dem selben Spielplatz zum 3. Mal diese Woche fahren?! Kinder sind schon irgendwie witzig zu beobachten. Mit leuchtenden Augen stehen sie nun voller Erwartung vor dem Auto. Eigentlich fehlt nur noch, dass sie in ihre Hände klatschen. Dabei geht es doch nur zu Schule. „Shopppp“, ruft Noah etwas zu laut für diese Uhrzeit und ich antworte ihm, dass wir Harper zur Schule bringen und nicht zum Supermarkt fahren. Ein lang gezogenes „okay“ ist seine Antwort mit einem anschließenden langen Seufzer. Ich öffne Harper’s Tür und schaffe es so gerade noch Noah zu packen und von der Tür weg zu zerren ( glaubt mir, ist er einmal in dem Auto und klettert herum, bekommt man ihn nur unter ohrenbetäubendem Gebrüll wieder heraus und in seinen Sitz!! ). Natürlich fängt er an sich zu wehren und zu brüllen. Ob die Nachbarn manchmal denken, du tust ihm weh? „Autsch, Noah, das war mein Nagel!!!“ Wieder ein Nagel gebrochen dank ihm. Ich sollte sie einfach kurz lassen. Was hast du dir auch dabei gedacht? Nach einem 2 minütigen Kampf hab ich es dann endlich geschafft, die Sicherheitsgurte anzubringen und gehe auf Harper’s Seite des Autos. Sie hat natürlich keine Anstalten gemacht, sich selbst anzuschnallen. Ich verdrehe innerlich die Augen. Ist ja nicht so, als wären wir spät dran. „Harper hier, nimm bitte den Gurt und schnall dich an!“, sage ich zu ihr und gebe ihr den Gurt. Es ist noch etwas schwierig für sie, den Gurt alleine lang genug zu ziehen, um ihn befestigen zu können. Als sie es dann endlich geschafft hat, überprüfe ich alles noch einmal und steige vorne ein. Es fühlt sich immer noch seltsam an, auf der rechten Seite einzusteigen und manchmal an der Tankstelle passiert es mir noch, dass ich links einsteigen möchte. Bei dem Gedanken muss ich kopfschüttelnd wieder anfangen zu lachen. Ich hoffe einfach so sehr, dass das niemand bemerkt hat! „Wieso lachst du?“, fragt Harper erwartungsvoll. „Ich bin einfach ein lustiger Mensch“, ist meine Antwort. Harper fängt nun auch an zu lachen. „Ohja das war sooo lustig.“, sagt sie dann. Oh man Harper. Dieses Kind ist der Kracher. Mittlerweile sind es dann schon kurz vor 8 Uhr. Kein Problem, denke ich mir und lege den Rückwärtsgang ein.

Luftlinie ist die Schule eigentlich nur einige Minuten entfernt, aber viele Straßen hier in den Wohngebieten enden mit einem Wende Hammer und so gibt es nur einige wenige Hauptstraßen, die ins Zentrum unseres Ortes führen. Dazu kommt dann der schöne morgendliche Verkehr und so brauchen wir meistens um die 10 – 15 Minuten zur Schule. Wie gerne ich diesen Weg einfach laufen würde durch all die schönen Wohngebiete und die kleinen Parks, aber leider sagt Google Maps, dass es 1 Stunde bis dort dauern würde. Das entspricht dann vermutlich 2 Stunden mit zwei müden und etwas zu aktiven Kindern, wovon eines im Kinderwagen sitzen muss, aber nicht will und dementsprechend laut herum brüllen würde und das andere angeblich keine Lust auf Schule hat, obwohl es sich jedes Mal freut, wenn es dort ankommt und all seine Freunde sieht.
Also müssen wir das Auto nehmen, uns durch den Berufsverkehr schlängeln und dann einen Parkplatz suchen auf dem schuleigenen Parkplatz. Was das ganze zunehmend erschwert jeden Morgen ist das sogenannte „Kiss and Drop“, was soviel wie „Küss dein Kind und schmeiß es dann aus dem Auto, ohne dein Auto selbst zu verlassen“ heißt. Dort wo also am Nachmittag normalerweise auch noch eine Reihe Parkplätze sind, sind am Morgen keine und die Eltern, die ihre Kinder nur schnell absetzen wollen, können dort nacheinander in einer Reihe anhalten. Die Kinder dürfen dann nur auf der linken Seite aussteigen, da sie dann direkt auf den Gehweg springen können, ohne in Gefahr zu kommen. Auf der gegenüberliegenden Seite kann man allerdings ganz normal parken und in der Mitte ist die Durchfahrt. Das bedeutet, wenn man dort lang fahren möchte (und man muss unweigerlich durch diese Straße fahren, da der Parkplatz im Einbahnsystem gebaut wurde), bekommt man erst einmal Schweißausbrüche, weil nicht nur das Kind auf dem Rücksitz brüllt, sondern auch noch die einen Autos normal rückwärts ausparken und die anderen aus der Kiss and Drop Zone wegfahren. Manchmal sogar gleichzeitig und dann kneife ich vorsichtshalber die Augen zu, um einen eventuellen Unfall nicht mit ansehen zu müssen. Aber jetzt muss ich erst einmal einparken und das tue ich meistens direkt in der ersten Reihe, möglichst nah am Gehweg. Mir brummt der Kopf. Harper hat ungefähr alle 2 Minuten nach einem neuen Song gefragt, den ich aber natürlich nicht anmachen konnte, weil ich ja gefahren bin. Das ist nur nicht ganz so einfach, einem 5 Jahre alten Kind zu erklären. Erst Recht nicht, wenn das andere Kind „Shoooooopp“ ohne Luft zu holen brüllt oder die Sirene eines Feuerwehrautos nachahmt, weil es einfach besessen von Autos, vor allem Feuerwehrautos, ist. Ein „wiihuuuwhhiiiuuuuhh“ in einem Ton, den normalerweise nur Hunde hören machen es einem schon schwer, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Daher bin ich auch heute wieder ziemlich froh, als wir unbeschadet ankommen und ich nun versuche, Harper und Noah aus dem Auto zu bekommen. „Harper, du kannst jetzt aussteigen.“, sage ich zu ihr. „Okay“, ist ihre Antwort und sie klettert in Slowmotion hinaus, weil sie während sie ihren Gurt löst, irgendetwas interessanteres auf dem Boden entdeckt. Ich sage erst einmal nichts und gehe auf die andere Seite des Autos, hole ihre Tasche heraus, stelle sie neben das Auto, nehme ihren Hut und schließe die vordere Tür wieder. Danach versuche ich Noah so aus dem Auto zu bugsieren, dass ich ihn erst einmal auf dem Arm behalten kann, damit er nicht in seiner wilden Art vor die Autos läuft. „Harper, bitte, beeil dich und komm her!“, versuche ich es noch einmal. Erschrocken schaut sie mich an, als hätte ich sie bei etwas ertappt. Dann springt sie aus dem Auto, knallt die Tür zu und kommt zu uns. „Sehr gut, nimm bitte deine Tasche“, sage ich. Harper nickt nur und zieht den Rucksack an. Ich bin jedes Mal erneut fasziniert, wie sie das so ganz allein und ohne Hilfe hinbekommt, immerhin ist ihr Rucksack fast genauso groß und gefühlt doppelt so breit wie sie. Wie auch alles andere, ist der Rucksack ebenfalls Teil der Schuluniform, nur dass es diesen nicht in verschiedenen Größen gibt, so wie die Hüte oder Kleider. Die armen kleinen Kids in der Kindergarden-Klasse sehen dadurch immer etwas mitleiderregend aus, da sie unter dem Gewicht des Rucksackes fast zusammenbrechen. Außerdem gehen sie mit einer Geschwindigkeit, mit der sie gegen Schildkröten in einem Rennen definitiv verlieren würden. Zu gerne würde ich ihr den Rucksack jetzt abnehmen, aber wenn meine Gasteltern nächstes Jahr anpeilen, Teil der Kiss and Drop Bewegung zu werden oder Harper den Schulbus nehmen lassen wollen, sollte sie sich an den Rucksack schon einmal gewöhnen. Oder? Die anderen Kinder müssen ihren außerdem auch selbst tragen…

Harper nimmt meine Hand. Sie ist so viel einsichtiger als Noah in dem Punkt, denn er würde niemals ohne Anweisung einfach meine Hand nehmen. Er ist ja jetzt ein großer Junge, der selbständig laufen kann. Von Angst vor fahrenden Autos, die 10 Mal so groß sind wie er, ist keine Spur. Deshalb trage ich ihn lieber bis zum Eingang des Schulgeländes. Wir gehen zum Zebrastreifen und ich frage Harper, ob die Straße sicher ist und wir gehen können. Irritiert sieht sie mich an. „Na bevor wir den Zebrastreifen überqueren können, müssen wir nachsehen, ob keine Autos kommen oder ob die Autos die kommen, anhalten für uns!“, erkläre ich ihr. Sie schaut zögerlich nach links und rechts. „Wir können gehen, das Auto hält an für uns.“, sagt sie vorsichtig. „Gut gemacht, Harper. Dann lass uns gehen“
Harper ist immer etwas ängstlich was Straßen und Autos angeht und deshalb krallt sie sich meistens in meine Hand schon weit bevor wir uns einer Straße nähern. Als wir dann durch das Tor gehen und das Schulgelände betreten, kann ich Noah endlich herunter lassen. Na endlich, wie viel hat er wohl zugenommen an Gewicht? Total aufgeregt rennt er herum. „Waaalk, walk, walk“, schreit er und alle drehen sich natürlich wieder nach ihm um. Gut, dass ich mal wieder aussehe wie ein Schlumel mit meinen ungemachten Haaren und so ganz ohne Make Up. Von meiner Bräune ist nämlich auch nicht mehr so wirklich viel übrig. Eigentlich gleicht das hier einem Ganzkörper Workout, denn nun muss ich ihm hinterher rennen, damit er keine der Treppen herunter fällt oder den steilen Hügel herunter rollt. Ich versuche ihn bei der Hand zu nehmen. „Noooo, walk!!!“, schreit er mich an. Toll, dass die Sprachtherapie so gut anschlägt. Und schon stolpert er über seine eigenen Füße und fällt auf die Nase. Ich picke ihn so schnell wie möglich wieder auf und er sieht mich nur verdutzt an, so als wüsste er nicht, ob er weinen soll oder ob er einfach weiter laufen soll. „Siehst du, das passiert, wenn du nicht meine Hand nimmst und wie ein Verrückter herum rennst!“, gebe ich ihm schulterzuckend zurück. „Waaalk!“, ruft er erneut und rennt einfach weiter. Harper ist mittlerweile auch wieder an meiner Seite, nachdem sie zunächst kaum Schritt halten konnte. Wir gehen den steilen Hügel hinunter bis hin zu ihrem Klassenraum. Vor den Fenstern sind kleine Bänke angebracht, auf welche die Kinder ihre Schultaschen stellen sollen. „Hier Harper, dein Hut“, sage ich zu ihr. Gemeinsam gehen wir dann den Hügel wieder hinauf, bis hin zu dem Teil des Schulhofes, auf dem die Kindergarden-Kids spielen dürfen, bis die Klingel ertönt. „Zeit, Sissy tschüss zu sagen!“, sage ich zu Noah. „Gib ihr einen dicken Kuss!“ „Cuuuuuddlllee“ (Umarmung), schreit Noah und schlingt die Arme um seine Schwester. „Bye Noah“, antwortet sie und auch ich umarme sie und gebe ihr einen Kuss auf ihren Kopf.

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2 COMMENTS

  • Taeter

    Wie immer sehr gut und vor allem sehr lustig geschrieben. Es erinnert mich so sehr an früher mit euch. Genieß es und schreib bitte mehr davon.

    • anna
      AUTHOR

      Dankeschön Mama. ❤

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